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Enerige & Management > Aus Der Zeitung - „Gleich eine zukunftsfähige Lösung“
Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
„Gleich eine zukunftsfähige Lösung“
Das intelligente Messsystem ist mehr als ein Verbrauchsermittler. Für das netzdienliche Steuern von Erzeugern sind aber noch nicht alle Grundlagen gelegt, wie Frank Borchardt erläutert.
 
E&M: Herr Borchardt, der Steuer-Rollout ist die nächste Stufe nach dem Mess-Rollout. Können die Messstellenbetreiber damit jetzt anfangen?

Borchardt: Steuerboxen sind zertifiziert, die Smart Meter Gateways ja schon lange. Die Hardware ist also vorhanden und, soweit wir das von den Herstellern hören, auch verfügbar. Der regulatorische Rahmen ist gesetzt. Es gibt aus meiner Sicht für die Messstellenbetreiber keinen Grund, beim Steuer-Rollout abzuwarten. Nur ein ‚Aber‘ gibt es, das jedoch kein Grund ist, abzuwarten: Aufgrund des gesetzlichen Rahmens haben wir im Moment nur die Regulierung aufseiten der Verbraucher. Denn § 14a im Energiewirtschaftsgesetz und die zur Umsetzung getroffenen Festlegungen der Bundesnetzagentur beziehen sich nicht auf Erzeugungsanlagen.

E&M: Aber § 9 EEG bezieht sich auf die Erzeugung …

Borchardt: … sagt jedoch im Grunde nur, dass neue PV-Anlagen ab 7 kW steuerbar sein müssen und eine PV-Anlage mitgesteuert werden muss, wenn ohnehin schon ein intelligentes Messsystem aufgrund der Wallbox, Wärmepumpe und des Speichers im Haushalt vorgeschrieben ist. Und er definiert die Pflichteinbaufälle und die Rollout-Fristen mit dem entsprechenden Mengengerüst, das sich übrigens nicht prozentual auf die Zahl der Einbaufälle bezieht, sondern auf die kumulierte installierte Leistung der zu steuernden Anlagen. Verbraucher werden gesteuert, wenn die Netzzustandsdaten zeigen, dass eine Netzüberlastung droht. Wann eine Erzeugungsanlage gesteuert wird, ist allerdings nicht klar geregelt. Das hängt noch vom Fingerspitzengefühl der Mitarbeiter in der Netzleitstelle ab.

Ermächtigung notwendig

E&M: Noch, sagen Sie?

Borchardt: Wir als FNN machen immer wieder darauf aufmerksam, dass dringend eine Ermächtigung der Bundesnetzagentur notwendig ist, um Klarheit zu schaffen. Da sind wir uns auch mit der Bundesnetzagentur einig. Sie müsste aber erst einmal aus dem Gesetz heraus den Auftrag bekommen, tätig zu werden, wie das beim § 14a EnWG der Fall war.

E&M: Könnte man bei den Erzeugungsanlagen auf der Regulierung der Verbraucher aufbauen?

Borchardt: Etwas vereinfacht gesagt, müsste man eigentlich nur ein Vorzeichen im Regelwerk ändern, da der Energiefluss in die andere Richtung geht. Die Hardware und die Software zum Steuern einer PV-Anlage sind dieselbe.

E&M: Sehen Sie Anzeichen, dass die Bundesnetzagentur bald die erforderliche Ermächtigung erhält?

Borchardt: Im Moment sieht es nicht danach aus, dass es schnell gehen wird. Die aktuelle EEG-Novelle enthält keinen Anhaltspunkt dafür. Das liegt aber sicherlich auch an der komplexen Beziehung zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber. Denn das Steuern von Verbrauchern war von Anfang an, nachdem das Thema vor etwa zehn Jahren aufgekommen war, ein Anliegen der Verteilnetzbetreiber. Deshalb kam es auch zum § 14a. Das Problem der schnell steigenden Zahl von PV-Anlagen im Netz aufgrund der Förderung hat die Verteilnetzbetreiber dann, während sie sich intensiv mit der Verbrauchsseite beschäftigt haben, schlichtweg überholt. Diese Anlagen sind schließlich in den Fokus der Übertragungsnetzbetreiber gelangt. Dass jetzt laut § 9 EEG Erzeugungsanlagen ab 7 kW grundsätzlich steuerbar sein müssen, geht im Wesentlichen auf die Initiative der Übertragungsnetzbetreiber zurück ...

E&M: ... die nach dem Solarspitzengesetz ja verpflichtet sind, die Fernsteuerung von PV-Anlagen zu gewährleisten.

Borchardt: Ja, genau. Aber die Niederspannung ist nun einmal die Domäne der Verteilnetzbetreiber. Die Frage stellt sich deshalb, wie die Steuersignale der Übertragungsnetzbetreiber an die Anlagen kommen sollen. Über die zweite WAN-Schnittstelle am Smart Meter Gateway? Über die Verteilnetzbetreiber beziehungsweise Messstellenbetreiber via What’s-App-Gruppe vielleicht? In der kleinteiligen Welt der Netzanschlusspunkte in der Niederspannung ist der Übertragungsnetzbetreiber ja normalerweise nicht unterwegs. Man muss bedenken, dass das Verteilnetz für ihn eine völlig neue Welt ist. Da ist noch vieles unklar − eben auch, wann geregelt wird.

Verteilnetz ist völlig neue Welt

E&M: Entstehen die Probleme nicht zunächst im Verteilnetz, sodass der Verteilnetzbetreiber eingreifen müsste?

Borchardt: Das schon, aber die Übertragungsnetzbetreiber haben auch ein Szenario im Blick, dass beispielsweise die Rückspeisung einer wachsenden Menge an Solarstrom in die vorgelagerten Netzebenen beschreibt. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn der Übertragungsnetzbetreiber sein Problem dann an den Verteilnetzbetreiber melden würde, würde dieser die Steuerbefehle an den Messstellenbetreiber weitergeben über die Kommunikationswege, die er ohnehin schon nutzt. Aber die Frage ist, ob nicht vorher das Verteilnetz instabil wird, sodass der Verteilnetzbetreiber direkt tätig werden muss.

E&M: Dazu braucht er die nötige Transparenz in seinem Netz. Brauchen wir dafür einen Voll-Rollout intelligenter Messsysteme?

Borchardt: Die Netzbetreiber haben schon ein riesiges Potenzial, Transparenz zu schaffen, allein wenn sie die Abgänge der Trafostationen messen. Aus Sicht des Netzbetreibers ist der Voll-Rollout nicht zwingend notwendig. Aber ich glaube schon, dass es mit der zunehmenden Zahl an Pflichteinbaufällen bei Erzeugern und Verbrauchern für die Messstellenbetreiber wirtschaftlich sein kann, auch die übrigen Messlokationen mit intelligenten Messsystemen auszustatten. Warum sollten Monteure, die ohnehin in der Nachbarschaft sind, nicht gleich in der gesamten Straße oder im entsprechenden Viertel die Smart Meter installieren. In ein paar Wochen oder Monaten müssten sie eventuell ja doch noch einmal hinfahren, wenn jemand zum Pflichteinbaufall wird, weil er eine Wärmepumpe angeschafft hat. Von einer einfachen modernen Messeinrichtung haben im Grunde weder der Kunde noch der Messstellenbetreiber etwas. Wenn man die intelligenten Messsysteme flächendeckend ausrollt, hat man gleich eine zukunftsfähige Lösung und ein einheitliches technologisches Ökosystem geschaffen.

E&M: Was halten Sie von einem ‚Smart Meter Light‘, damit wettbewerbliche Messstellenbetreiber schnell den Rollout umsetzen und zumindest dynamische Tarife anbieten können?

Borchardt: Ich halte nichts davon, denn wir haben Gesetze, die ein intelligentes Messsystem vorschreiben. Es gibt aus meiner Sicht keine technische Lösung in Europa, die die Sicherheitsvorgaben einhält und schneller zu installieren wäre als ein intelligentes Messsystem mit BSI-zertifiziertem Smart Meter Gateway. Man mag noch argumentieren, dass es bei dynamischen Tarifen ja um eine marktliche Steuerung für kleine Kunden geht, die nicht systemkritisch ist. Dies würde bedeuten, der Kunde hat einen dynamischen Tarif und richtet vielleicht den Betrieb seiner Waschmaschine am Börsenpreis aus. Davon wird er aber nicht entscheidend profitieren. Wenn aber der wettbewerbliche Messstellenbetreiber die Flexibilität der Waschmaschine im Pool mit vielen anderen Verbrauchern vermarkten will − wovon die Haushalte dann auch einen spürbaren Nutzen hätten −, hat man eine systemrelevante Masse. Dafür braucht man dann unbedingt die Sicherheitsarchitektur des intelligenten Messsystems. E&M
 
 
Frank Borchardt
Quelle: VDE

Zur Person
Frank Borchardt ist beim Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE verantwortlich für die Entwicklung der Themenfelder Digitalisierung und Metering. Dort schaffen verschiedene Projektgruppen von der Spezifizierung der Komponenten eines intelligenten Messsystems bis zur Ausgestaltung einer sicheren Kommunikationsplattform die Grundlagen für das künftige digitale Energiesystem. Der Diplom-Ingenieur ist unter anderem Mitglied im Ausschuss „Gateway-Standardisierung“ beim Bundeswirtschaftsministerium − ein Gremium, das gesetzlich verankert ist und zur Weiterentwicklung technischer Richtlinien für das intelligente Messsystem regelmäßig Stellung nimmt.
 
Erweitertes Lastenheft
Ende August hat VDE/FNN ein aktualisiertes Lastenheft (1.5) für die Steuerbox vorgelegt. Mit der neuen Version hat das Forum als technischer Regelsetzer eine Reihe von Korrekturen für Betrieb, Anwendung und Konformität der Steuerbox vorgenommen. Laut FNN verbessern die Anpassungen den Betrieb und die Flexibilität der Steuerbox und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Steuerung über das intelligente Messsysteme.
Gleichzeitig können Hersteller von Steuerboxen ein Verfahren zur beschleunigten Sicherheitszertifizierung in Anspruch nehmen, um auf Basis des Lastenhefts ihre produktbezogenen Angaben nach der Technischen Richtlinie TR-03109-5 des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) von der Behörde bestätigen zu lassen.
 
 

Fritz Wilhelm
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